Samenbau Einführung

Gemüse-Samenbau im eigenen Garten:
Ein Beitrag zum Erhalt der traditionellen Sorten

Hintergrund

Die moderne Saatgutindustrie ist ein eigenständiger, spezialisierter Wirtschaftssektor, der nach  ökonomischen Gesichtspunkten wie Effizienz und Rentabilität funktioniert.

In der Saatgutindustrie wurden im Laufe der Zeit immer mehr « universelle Einheitssorten », « F1-Hybridsorten » und « gentechnisch veränderte Sorten » entwickelt, was eine fortschreitende Abnahme der Zahl der natürlichen, nach traditionellen Methoden gezüchteten und an regionale Klima- und Bodenverhältnisse angepassten Sorten mit sich gebracht hat.

Aus ökonomischen Gründen sollen die industriellen Sorten in möglichst vielen Klimazonen angebaut werden können und Höchsterträge liefern. Sie werden in ihrem Wachstum dabei durch zusätzliche Hilfsmittel wie Industriedünger, chemische Pflanzenschutzmittel, künstliche Bewässerung und Gewächshäuser unterstützt. Diese Sorten werden hauptsächlich für die moderne, hochtechnisierte Landwirtschaft gezüchtet.

In der biologischen Landwirtschaft und im privaten Gartenbau können mit solchen Sorten keine guten Ergebnisse erzielt werden. Für diese Form der Landwirtschaft wurde eine eigene, in kleineren Strukturen funktionierende Pflanzenzüchtung entwickelt.

In der biologischen Pflanzenzüchtung werden nach wie vor traditionelle Züchtungsmethoden angewendet, die sich am Beispiel der Natur orientieren und im Labor durchgeführte « Kunstgriffe » ausschließen.

Das Ziel ist es, Saatgut von Sorten zu erhalten, die eine natürliche Vitalkraft und Widerstandsfähigkeit aufweisen, das heißt, dass sie ohne chemische Hilfsmittel ein gutes Wachstum zeigen und aus eigener Kraft Krankheiten und Schädlingen widerstehen können.

Hierbei wird auch darauf geachtet, dass es möglichst viele unterschiedliche Sorten der verschiedenen Kulturpflanzenarten gibt. Eine möglichst große Nutzpflanzenvielfalt wird als wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität angesehen.

Der Privatgärtner kann durch Samenbau in seinem eigenen Garten teilnehmen an der Erhaltung traditionell gezüchteter Gemüsesorten.

Technische Aspekte

1.) Grundregeln

  • genaue Beobachtung der Pflanzen (Wachstum, Form, Gesundheit, Widerstandsfähigkeit)
  • die besten Pflanzen als Samenträger auswählen
  • eine genügend große Zahl Samenträger nehmen
  • einjährige Pflanzen machen schon in derselben Saison Samen (Salat, Bohnen, Tomaten, Radieschen, Brokkoli, Mais u.a.), zweijährige Pflanzen müssen überwintern, bevor sie Samen bilden (Zwiebel, Lauch, Sellerie, Möhre, Kopfkohl, Rote Bete u.a.).
  • Bei Selbstbefruchtern kommt es bei der Bestäubung nicht zu Kreuzungen zwischen verschiedenen Sorten (Tomate, Salat, Erbsen, Bohnen, Feldsalat), bei Fremdbefruchtern kann es zu Sorten- und sogar zu Artenvermischungen kommen (Kohl, Kürbis, Zwiebel, Lauch, Möhre, Sellerie, Rote Bete, Chicoree u.a.).

2.) Auswahlkriterien

  • eine art- und sortentypische Form
  • eine gute Entwicklung (Wachstum, Bewurzelung, Größe, Reifevermögen u.a.)
  • eine gute Anpassung an die Boden- und Klimaverhältnisse
  • eine gute natürliche Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten
  • ein guter Geschmack
  • eine gute Haltbarkeit bzw. Lagerfähigkeit

3.) Arbeitsschritte

  • Auswahl der Samenträger
  • Kultur der Samenträger
  • Ernte der Samen
  • Trocknung der Samen
  • Reinigung der Samen
  • Sortierung der Samen
  • Aufbewahrung / Lagerung der Samen
  • Keimproben

Beispiele (Gemüsepflanzen)

 a) Auswahl der Samenträger

  • Kopfsalat: die bestgeformten Köpfe, die als letzte « schießen »
  • Tomate und Gurke: die Pflanzen auswählen, die gut wachsen, viele Früchte tragen und die ganze Saison über gesund bleiben; Früchte für Saatgut werden am Sommerende genommen
  • Lauch: die Pflanzen auswählen, die der Lauchmotte und dem Frost gut widerstehen und die eine harmonische Form aufweisen

b) Ernte

  • Möhre: die Primärombellen (die ersten (=größten) Samenstände nehmen, bevor die Samen fallen oder schimmeln
  • Feldsalat: die Pflanzen ohne Wurzeln (= ohne Erde) ernten zum Zeitpunkt, zu dem die ersten Samen fallen; sie zum Trocknen auf Gitter legen, durch das die Samen in ein Auffanggefäß fallen

c) Auszug / Reinigung

  • Radieschen: die Samenträger ernten, die Schoten abstreifen und möglichst schnell trocknen; die trockenen Schoten zerdrücken oder zertreten; die Samen von den Schotenresten trennen mithilfe von Sieben und einem Gebläse

d) Überwinterung / Auspflanzung von zweijährigen Pflanzen

  • Zwiebel, Möhre, Sellerie, Kopfkohl usw.: die besten Pflanzen während der Ernte aussuchen, sie im Keller über Winter lagern; sie im Frühling wieder in den Boden auspflanzen, damit sie Samen bilden können

e) Vermeidung von Kreuzungen bei Fremdbefruchtern

  • Achtung: Wenn zwei verschiedene Sorten Zwiebeln (z.B. « Sturon » und « Red Baron ») nebeneinander blühen (=Samen bilden), kreuzen sie sich durch die Bestäubungstätigkeit der Insekten und man erhält, wenn man das Saatgut erntet eine unvorteilhafte Sortenmischung.

Das Gleiche gilt für Lauch, Möhre, Sellerie, Kopfkohl, Rote Bete, Kürbis, Gurke u.a..

Darüber hinaus vermischen sich alle Kohlunterarten (Weiß-, Rot-, Wirsing, Grün-, Rosenkohl usw.), sowie Rote Bete mit Mangold, Zucker- und Futterrüben.

Von diesen Pflanzen sollte man nur eine Sorte pro Jahr zur Samenreife bringen oder aber die verschiedenen Sorten gut voneinander isolieren (durch Abstände von mehreren hundert Metern oder durch feinmaschige Netze, durch die keine Insekten kommen können).

f) Lagerung

Damit Samen über möglichst viele Jahre keimfähig bleiben, sollten sie an einem dunklen, trockenen, kühlen Ort bei möglichst gleich bleibender Temperatur aufbewahrt werden. Samen sind lebendig und « atmen » dementsprechend. Für die Aufbewahrung sollte die Atmung so weit wie möglich reduziert werden. Licht, Wärme und Feuchtigkeit regen die Atmung bzw. die Keimung an. Für die Lagerung sollen die Samen allerdings so tief wie möglich « schlafen ».

g) Keimproben

Die Qualität der Samen kann u.a. durch Keimproben ermittelt werden. Hierbei werden eine bestimmte Zahl Samen abgezählt, die man dann aussät bzw. zur Keimung bringt. Dann können die Keimschnelligkeit und die Keimrate ermittelt werden.

Wenn man 50 Samen aussät, und es keimen davon 43, dann erhält man eine Keimrate von
43 x 100 = 86 %
50

Buchtipps:

  • Handbuch Samengärtnerei, Arche Noah, Loewenzahn-Verlag, A-Innsbruck, 2004
  • Saatgutgewinnung im Hausgarten, Suzanne Ashworth, Arche Noah-Verlag, A-Krems, 1993

Frank Adams – Biologischer Gemüse- und Saatgutbau – Seminare und Vorträge
8b, rue des Prés – L-7435 Hollenfels  – adamsf25@yahoo.de

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